Andrea Dilettanti?

Andrea Ypsilanti

Bild: Wikipedia

Nun haben also außer der hessischen Abgeordneten Dagmar Metzger noch drei andere Abgeordnete (Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts) die politische Notbremse gezogen bevor den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen die politischen Radreifen einer rot-grün-ultraroten Regierung um die Ohren fliegen. Die nun endlich couragierten Zauderer werden nun als Abweichler diffamiert.

Die nordrhein-westfälische Partei- und Fraktionschefin Hannelore Kraft nennt deren Verhalten „moralisch verwerflich“ (gegenüber dem Fernsehsender Phoenix). „So was gehört sich nicht, so was macht man nicht“ … „Das ist unsolidarisch“, meint die eher linksorienterte Hannelore Kraft.

Und der Wortbruch der Hessen-SPD (kein Bündnis mit der LINKSPARTEI vor der Wahl und eine Tolerierung nach der Wahl) ist nicht moralisch verwerflich? Gehört sich das gegenüber den Wählerinnen und Wählern?

Die Abweichler haben sich ihre Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht, haben die Koalitions- bzw. Duldungsverhandlungen abgewartet und auf Reaktionen aus ihrem Wählervolk gehört, dem sie einzig und allein gegenüber verpflichtet sind. Schaden vom Land abzuwehren (Verlust von möglichen 10.000 Arbeitsplätzen) ist ihre Motivation. Sie reklamieren, dass Andrea Ypsilanti ihr Votum in vertraulichen Gesprächen einfach ignoriert habe. Bei Jürgen Walter mag auch eine Portion gekränkter politischer Eitelkeit eine Rolle gespielt haben.

Vermutlich haben die jetzt Gescholtenen aber eine politische Zitter- und Hängepartie ohne Gleichen in Hessen verhindert. Die Zeitgeschichte mag darüber letztlich urteilen.

In meinen Augen hat Andrea Ypsilanti bereits kläglich versagt, als sie den radio ffn Crazyphone-Fake nicht bemerkt hat (–> http://de.youtube.com/watch?v=6Y8OcKai-uk). Wie naiv ist diese Frau eigentlich? Hätte sie nicht von der ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Simonis lernen können?

Warum zweimal mit dem Kopf gegen die Wand? Obwohl selbst der glücklose, inzwischen ehemalige SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck seine Parteifreundin Ypsilanti gewarnt hatte?

Nun muss der alte, strategisch schlaue Franz Müntefering (SPD-Vorsitzender ist das schönste Amt nach Papst) die politischen Scherben zusammenfegen und kitten.

Auffällig war die Stille um den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch in den letzten Wochen. Diesen Machtmenschen mag ich übrigens auch nicht.

Aber nun ist alles für ihn und seine Hessen-CDU optimaler gelaufen als je zu träumen war. Zeitige Neuwahlen werden zeigen, was die WählerInnen in Hessen über das aktuelle Debakel denken.

NB: Ich bin bekennender Wechselwähler!

Nachtrag 05. November 2008: „Die hessische SPD-Führung um Andrea Ypsilanti will die drei Abweichler Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts aus der Partei ausschließen.“ (SPIEGEL-Online: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,588705,00.html

Hat da nicht mal ein großer alter SPD-Mann gesagt „versöhnen, statt spalten“? Fällt den hessischen SPD-Parteioberen nichts anderes ein als Ausgrenzen? Schaut doch mal im Grundgesetz nach, was da über die Freiheit des Abgeordneten steht (Art. 38 GG, Abs. 1). Sind die hessischen LT-Abgeordneten nicht als Vertreter des ganzen Volkes weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen?

Artikel 95 der Hessischen Landesverfassung:

„Kein Mitglied des hessischen oder eines anderen deutschen Landtags darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner Abgeordnetentätigkeit getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.“

Nachtrag 13. November 2008:

„Ypsilanti. Neue Stufe der Bequemlichkeit

Frauen können heute alles werden, zum Beispiel Bundeskanzlerin. Sie dürfen sogar alles falsch machen, wie Andrea Ypsilanti. Nach dem Debakel macht sie sich klein, stellt sich dumm – kurz: sie zieht ein altbewährtes weibliches Register. (…)“

Ein kluger Kommentar von Tissy Bruns:
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Andrea-Ypsilanti-Hessen;art141,2659753

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Über Thomas Nolte

64 Jahre alt, DE-47447 Moers Lehrer am Gymnasium Adolfinum in Moers Fächer: Katholische Religion und Sozialwissenschaften Besondere Interessengebiete: Open-Data; Wissensmanagement (Wikimedia)
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